Ein anspruchsvoller Job: Scouter und Shouter

02.06.2017 9:38
(gek) „Goal, Rückraum links, 42, Pass 18“, ruft Niklas. Und Nebenmann Simon klickt ein ums andere Mal auf die Tastatur seines Laptops, Fenster öffnen und schließen sich wieder auf dem Display. „Siebter Feldspieler“ und „Kreis, 43, save“, nennt Simon seinem Beisitzer Philipp, und der Jüngste dieses Trios haut in die Tasten und setzt die Angaben um, der Torwart hat, im letzteren Fall, einen Wurf abgewehrt. Niklas Behnke, Philipp Kapp und Simon Kraml sind bei der TSG Ludwigshafen-Friesenheim die Personen, die den Live-Ticker bedienen. Ihre offiziellen Bezeichnungen lauten: Scouter und Shouter. Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die ein Duo bei jedem Heimspiel zu erledigen hat. Uli Spettmann, der langjährige Spieler der Eulen, und Christoph Buhl sah man früher in dieser Reihe sitzen, in der Medienvertreter ihren Platz haben, wenn sie von Spielen der TSG berichten. Nun bedienen Niklas, Philipp und Simon den Live-Ticker, die sich an den Spieltagen abwechseln: mal sind Niklas und Philipp an der Reihe, mal Niklas und Simon oder Philipp und Simon, die für die Aufzeichnungen verantwortlich sind. Im Übrigen gibt es mit den Rhein-Neckar Löwen seit knapp zwei Jahren eine Zusammenarbeit, was die Bedienung des Live-Tickers betrifft. „Im Falle einer Erkrankung tauschen wir uns in einer WhattsApp-Gruppe aus und bekommen dann einen Ersatz“, erläutert Simon. „Und so kamen Scouter von den Rhein-Neckar Löwen schon zu uns, Holger Hammer zum Beispiel, der auch alle Scouter im Rhein-Neckar-Raum betreut“, berichtet Niklas. Aber es gibt auch den umgekehrten Weg. „Wir haben auch schon einige Male bei den Rhein-Neckar Löwen ausgeholfen, in Mannheim und auch bei Champions-League-Spielen in Frankfurt“, sagt Philipp. Das nennt man Partnerschaftshilfe und zeigt, wie gut die Jungs vernetzt sind. Am längsten vom TSG-Trio ist Simon dabei. Der 36-jährige Lehrer kam zur Saison 2013/14 in dieser Funktion zur TSG, die via Facebook nach einem Scouter gesucht hatte. Zuvor kam Simon immer wieder als Zuschauer zu Spielen der Eulen, und gewann auch schon mal Eintrittskarten für Begegnungen der Rothemden, in diesem Fall waren es Tickets der Sparkasse. Der Funke zum Handball bei den Eulen sprang bei Simon schließlich komplett über, nachdem er im Dezember 2010 Augenzeuge der Erstligapartie gegen den TV Großwallstadt war. „Das Tor, das Alex Becker mit einem Seitfallwurf gegen Matthias Andersson machte und das den Sieg brachte, werde ich nie vergessen“, erinnert sich Simon, der seine Arbeit bei den Eulen an der Seite von Katja Anslinger begann, die nach einer Saison indes wieder ausschied. Das damalige im Einsatz befindliche Programm ist mittlerweile modifiziert. „Mit dem neuen Programm arbeiten wir jetzt im zweiten Jahr“, erläutert Simon. „Diese Version ist ausgereifter als die Vorgängerversion. Dabei werden alle Daten gesammelt, zum Beispiel auch, wer der Passgeber war oder, ob es sich um einen Tempogegenstoß gehandelt hat.“ Und zählt weitere Begebenheiten seiner Arbeit am Live-Ticker: „Eine Hand ist immer an der Stoppuhr, das ist sehr, sehr anstrengend. Es gibt viele Situationen, die du als Scouter gar nicht siehst, zum Beispiel Tore vom Keeper. Gut ist, dass man auch nachträglich etwas anpassen kann, damit die Statistik stimmt. Während des Spiels ist man auch mit einem Chat-Partner verbunden, mit dem wir kommunizieren können, von dem wir aber nicht einmal wissen, in welchem Land der sitzt.“ Was hat sich bei Simon geändert? „Ich schaue viel mehr auf die Rückennummern, man bekommt mit den Jahren eher einen Schiedsrichterblick. Im Prinzip ist man zum Arbeiter geworden, dabei geht die Euphorie verloren.“ Simon, der bis zu seinem Studienbeginn Handball spielte, ist ein ganz großer Musikfan. „Mit 12 begann ich Gitarre zu spielen und gehörte im Laufe der Jahre auch mehreren Bands an, die mehr rockige Musik gespielt hat“, berichtet Simon von einer Leidenschaft, die er von seinem Vater Dieter geerbt hat. „Ich habe von ihm viele Platten bekommen, von Led Zeppelin und Deep Purple zum Beispiel. Ich beschäftige mich viel mit Musik.“ In seiner Freizeit spielt Simon Tennis, er mag Städtereisen und steigt auch gerne mal aufs Fahrrad, um an Flüssen entlang zu radeln. „Und wenn ich ans Meer fahre, dann nach Holland“, gibt Simon preis. Niklas, im Februar 1991 in Ludwigshafen geboren und in Mutterstadt aufgewachsen, kam über seinen Vater Rüdiger zum Handball. „Er hat mich mitgenommen.“ Und so spielte Niklas als Kind fünf Jahre bei der TSG Mutterstadt. Und entwickelte dann ein Faible für den Fußball, trug mehrere Jahre das Trikot der FG 08 und wurde Fan von Mainz 05. Auch als Schiedsrichter sah man die Frohnatur auf vielen Fußballplätzen, doch nach sieben Jahren hörte er mit der Pfeiferei auf. „Sport ist der Mittelpunkt“, sagt Niklas, der an der Hochschule in Ludwigshafen ein Master- und Bachelorstudium abgeschlossen hat und bei der Studentenvertretung AStA den Job als Referatsleiter „Sport & Reise“ innehatte. „Reisen ist meine absolute Leidenschaft“, so Niklas, und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass er während seines Studiums in Kanada ein dreimonatiges Praktikum absolvierte. Das bot sich auch deshalb an, weil Niklas in Kanada viele Verwandte hat, die meisten davon in Vancouver. 2014 ist das Jahr, das Niklas zu den Eulen bringen sollte. Auch er bewarb sich über eine Facebook-Anzeige der Bundesliga GmbH und ist mittlerweile zu einem Hardcore-Fan geworden, der das Team von Ben Matschke auch zu weiten Auswärtsfahrten begleitet. So war Niklas am letzten Samstag in Wilhelmshaven und konnte den Auswärtssieg der TSG an der Nordsee bejubeln und ein bisschen feiern… Wenn Niklas über seine Arbeit als Scouter und Shouter erzählt, erinnert er sich an den Anfang: „Als Neulinge wurden wir am PC geschult und das war schwierig, ich habe mehr als einen Versuch gebraucht, um den Test zu bestehen. Seit 2015 macht die Firma Sportradar die Datenverarbeitung und da wirst du auch benotet. Heute gehören wir zu den besten Scouts in der 1. und zweiten Handball-Bundesliga. Wir drei sind alle computeraffin. Von Vorteil sind außerdem eine hohe Konzentrationsfähigkeit, ein ausgeprägtes Handballverständnis sowie ein gutes Antizipations- und Erinnerungsvermögen.“ Und gesteht, dass durch den Einsatz des „7. Feldspielers die Arbeit deutlich erschwert worden ist. Nach Spielschluss schicken wir dem Supervisor das Endergebnis.“ Und wenn das Internet mal ausfallen sollte? „Dann müssen wir alles manuell eingeben. So war das zum Beispiel im Pokal gegen Kiel, wo die Software 10 Minuten lang nicht funktioniert hat und wir manuell nachgetragen haben.“ Sechs Jahre jünger als Niklas ist Philipp, der auch in Ludwigshafen zur Welt kam und im Stadtteil Niederfeld wohnt. Philipp gab sein Debüt als Scouter in der Rückrunde der vergangenen Saison, als Niklas nach seinem erfolgreichen Studium auf eine mehrmonatige Weltreise gegangen war. Ob Philipp, der nach dem Abitur entweder gerne zur Bundeswehr gehen würde, um dort eine Pilotenausbildung zu machen und damit einen Traum verwirklichen würde, oder aber doch beim Zoll oder an der Schule landen wird, wird sich noch ergeben. In seiner noch jungen sportlichen Vita hat Philipp die Disziplinen Karate, Reiten und Handball stehen. Von Ende 2009 bis Ende 2010 trug er das Trikot der TSG, wo er mit dem Handballspielen anfing. Danach wechselte er den Klub und wirft seitdem für den TuS Neuhofen Tore. Im April des letzten Jahres hatte Philipp großes Verletzungspech, als er sich in einem Punktspiel gegen Herxheim ein Kreuzbandriss zuzog. Jetzt sieht man ihn auch wieder mal joggen, auf dem Rad oder in einem Fitnessstudio. Sein erstes Handballspiel, das Philipp live sah, war in der Friedrich-Ebert-Halle ein Spiel der Eulen gegen Delitzsch, das war im Februar 2010. „Seitdem bin ich bei jedem Heimspiel dabei“, bekennt sich Philipp als Eulen-Fan. Die Arbeit am Laptop oder als Shouter macht dem 19-Jährigen sehr viel Spaß, trotz aller Anstrengung: „Man muss das Spiel sehr aufmerksam beobachten und jede Aktion genau verfolgen. Außerdem muss man aufpassen, was man in das Programm eingibt, denn jeder Fehler wird bestraft.“ Und obwohl Philipp noch nicht allzu lange dabei ist, hat er Verbesserungsbedarf erkannt: „Nach der Runde wird es einen Austausch geben und Verbesserungsvorschläge zur Diskussion gestellt, damit die Software weiter verbessert werden kann.“ Denn jeder Klick ist Zeit, erfordert Konzentration und Aufmerksamkeit. Das Ziel ist daher: mit möglichst wenigen Klicks möglichst effektiv zu arbeiten. Was war Philipps lustigstes Erlebnis am Live-Ticker-Tisch? „Am schönsten ist es, wenn man als Shouter ein klasse Tor gesehen hat und ich dann Simon sagen kann, wie genial es war.“ Wie gut, dass es nach 30 Minuten ein Wechsel gibt, der Shouter zum Scouter wird und umgekehrt. Und die Chance da ist, sich zu revanchieren. Quelle: PM tsg lu-friesenheim

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